Stellen komplett online besetzen
Wie Sie jetzt Ihren Besetzungsprozess noch objektiver und attraktiver gestalten und damit noch bessere Auswahlentscheidungen treffen.
Online-Live-Interviews als Teil eines modernen Recruiting-Prozesses sind nicht mehr neu. Nachdem wir diese Möglichkeit des ortsunabhängigen Gesprächs mit unseren Kandidaten bereits seit mehreren Jahren durchführen, kommen sie auch für die Erst- und Zweitgespräche bei unseren Kunden immer häufiger zum Einsatz.
Neu ist jedoch die durch die Kontaktbeschränkungen der Coronakrise hervorgerufene Debatte: Ist es möglich, Stellen komplett online und ohne jeglichen persönlichen Kontakt zwischen den Kandidaten und den Entscheidern erfolgreich zu besetzen?
Ich, Jennifer Mayer, behaupte ja, und ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Es bietet sich uns aktuell eine Chance, unsere Besetzungsprozesse noch objektiver und attraktiver zu gestalten und damit ab sofort noch bessere Auswahlentscheidungen zu treffen.
Das persönliche Interview als Auswahlinstrument maßlos überschätzt
Unter all den unterschiedlichen Personalauswahlmethoden ist das persönliche Interview immer noch die beliebteste und meiner Meinung nach in Bezug auf die Aussagekraft und Objektivität die am meisten überschätzte.
Die mehrheitliche Meinung scheint zu sein, dass der persönliche Kontakt, die gefühlte Chemie durch nichts zu ersetzen sind. Müssen wir uns dabei aber nicht ehrlicherweise fragen, ob unsere Beobachtungen von Auftreten, Körpersprache und Mimik unseres Gegenübers nicht manchmal über- oder fehlinterpretiert werden? Stichwort „unconscious bias“ – unbewusste Vorannahmen.
Nicht umsonst ist einer der größten Interviewfehler, dass statt der wertfreien Beobachtung sofort eine Bewertung des Geschehens stattfindet. Nicht ganz zufällig empfehlen wir deshalb schon seit Jahren, sich beim Beobachten der Kandidaten vorzustellen, man blicke von außen durch eine Videokamera.
Bessere Auswahlentscheidungen treffen
Für eine optimale Auswahlentscheidung und einen erfolgreichen Recruitingprozess im Allgemeinen, unabhängig davon, ob dieser komplett virtuell oder klassisch durchgeführt wird, empfehle ich folgende Maßnahmen:
- Mehrere teilstrukturierte Interviews führen: Die Verwendung eines standardisierten Interviewleitfadens erhöht nicht nur Ihre wahrgenommene Professionalität, sondern auch die Vergleichbarkeit zwischen den Kandidaten.
- 4-Augen-Prinzip: Ein Interviewpartner gibt Ihnen einerseits rechtliche Sicherheit und zum anderen können Sie sogenannte unbewusste Vorannahmen gemeinsam besser ausgleichen.
- Umfassende und authentische Kandidateninformation: Je mehr Ihre Kandidaten über den Ablauf der Auswahl, die Position und Ihr Unternehmen wissen, desto besser können auch er oder sie sich entscheiden.
- Online-Assessment-Tools nutzen: Im Anschluss an das Erstgespräch empfehlen wir je nach Position die Durchführung verschiedener Fähigkeiten- und Arbeitsstilanalysen, um so die Objektivität der Auswahl signifikant zu erhöhen.
- Das zukünftige Team mitentscheiden lassen: Das Kennenlernen mit den Teammitgliedern sollte so früh wie möglich stattfinden und deren Urteil in die Entscheidung mit einfließen.
- Spätere (virtuelle) Teamarbeit simulieren: Nach dem Zweitgespräch kann der Kandidat z.B. eine Case Study oder Coding-Aufgabe bearbeiten und hat währenddessen die Möglichkeit, den Teammitgliedern virtuell Fragen zu stellen.
- Über Kultur und Werte austauschen: Solche Gespräche zwischen Kandidaten und den potenziellen neuen Kolleg/innen sind enorm wichtig und schaffen nicht nur „persönliche“ Nähe, sondern geben gegenseitig Aufschluss, ob Kandidaten sich später im Unternehmen wohlfühlen und sich mit der Teamkultur identifizieren können.
Attraktivere Auswahlprozesse als Wettbewerbsvorteil
Diese eben genannten Maßnahmen verbessern aber nicht nur Ihre Auswahlentscheidungen, sondern tragen übrigens auch wesentlich zur wahrgenommenen Attraktivität Ihres Recruiting-Prozesses und damit auch zur Arbeitgeberattraktivität bei. Denn Kandidaten wünschen sich neben einer klaren und sinnvollen Struktur auch die Möglichkeit, ihr Wissen durch herausfordernde Elemente zu zeigen. Zudem geben Sie den Kandidaten einen tiefen Einblick in die Anforderungen und vermitteln gleichzeitig die Sorgfalt und Objektivität bei der Auswahl. Ein klarer Wettbewerbsvorteil und eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass der- oder diejenige, den/die Sie am Ende aus allen Kandidaten ausgewählt haben, sich final auch für Ihr Unternehmen als neuen Arbeitgeber entscheidet.
Mut zur Entscheidung
Wussten Sie, dass die Wahrscheinlichkeit für den späteren Erfolg eines Kandidaten oder einer Kandidatin im Unternehmen durch eine rein zufällige Auswahl bereits bei etwa 45 Prozent liegt und durch ein persönliches Interview nur bei etwa 65 Prozent? Die Vorhersagewahrscheinlichkeit eines multimodalen Personalauswahlprozesses liegt im Optimalfall bei maximal 85 Prozent. Das zeigt, dass Personalentscheidungen immer unter Unsicherheit getroffen werden. Nicht zu vergessen, dass Sie eine unbesetzte Stelle im Durchschnitt 1.000 Euro pro Tag kostet.
Fazit: Auch wenn teilweise Bedenken gegenüber der Aussagekraft von komplett virtuellen Recruitingprozessen bestehen, zeigt sich in der Praxis, dass mit einem strukturierten Prozess und Interviews samt Ergänzung durch mehrere weitere Auswahlinstrumente keinerlei Bedenken bestehen müssen und am Ende sogar bessere Auswahlentscheidungen getroffen werden. Worauf warten Sie also noch?
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